Der Hintergrund:
Man vermutet, dass der Wasservogel auf heidnische Ursprünge zurückgeht. Belegt ist er, so Franz Schröther von der Geschichtswerkstatt Neuhausen, zwischen 1502 und 1519 in den Rechnungsbüchern des Hl. Geist Spitals und 1749 in einer Abrechnung des Schlosses. Auch in historischen Neuhauser Beschreibungen wird über das Wasservogelfest berichtet. Franz Schröther nennt hier Schriften des Kupferstechers Albrecht Schultheiß (1823-1909), des Rektors der Schule in Neuhausen, Joseph Lipp (1855-1932), und des ehemaligen Neuhauser Bürgermeisters Georg Lindau (1816-1895), der das letzte Wasservogelfest 12-jährig miterlebt hatte. Natürlich, so Schröther, gebe es auch noch andere Quellen für den Brauch, der nicht nur in den nördlichen und westlichen Dörfern vor München, wie Neuhausen, Moosach und Aubing, sondern auch in der Hallertau und in Niederbayern begangen wurde. Das Wasservogelfest weise deshalb – je nach Region – zahlreiche Varianten auf.
In Neuhausen wurde jedes Jahr am Pfingstmontag der Bursche, der als Letzter in den Gottesdienst kam, zum Wasservogel oder ‘Pfingstl’ bestimmt. Nach der Messe wurde er mit Schilf, Binsen, Stroh, Laub und bunten Bändern geschmückt und – begleitet von den anderen Burschen – auf einem Pferd durch das Dorf geführt. Der Weg führte durch die heutige Winthirstraße, an der links und rechts die Bauernhöfe lagen. Vor jedem Hof sagte einer der Burschen einen Spruch auf, der von einem Jodler der ganzen Gesellschaft abgerundet wurde. Dafür erhielten die Burschen Eier, Mehl und Butter. Schließlich begab sich die Gruppe zum jetzigen Rotkreuzplatz, den damals noch der Dorfteich, die sogenannte ‘Schwabenlacke’ zierte. Vom Pferd herab wurde der Wasservogel in den Teich geworfen. Anschließend wurden in der Dorfwirtschaft – damals existierte laut Franz Schröther nur der Großwirt – aus den gesammelten Lebensmitteln Küchlein gebacken unter großem Hallo verzehrt.
Der Eklat:
1828 kam es dann zum Eklat. Die Neuhauser hatten sich vorgenommen in diesem Jahr mit dem Wasservogel vor das Schloss Nymphenburg zu ziehen und dem König Ludwig I. ihren Vers vorzutragen. Dafür hatten sie Rokokokostüme angezogen. Als sie vor dem Schloss ankamen, war ihnen allerdings der Moosacher Wasservogel zuvorgekommen, weil der Plan der Neuhauser an die Moosacher verraten worden war. Es entwickelte sich eine heftige Schlägerei, die erst durch das Eingreifen der Schlosswache beendet werden konnte. Der König verbot weitere Durchführungen des Wasservogelfestes, weshalb es 179 Jahre lang in Neuhausen nicht mehr stattgefunden hat.
Das "moderne" Wasservogelfest
FT Gern Vorstand Michael Franke hatte im Vorlauf des 100-jährigen Vereinsjubiläums 2007 beim legendären Jahresempfang des BA09 im Hirschgarten bei Franz Schröther angefragt, ob es in Neuhausen nicht eine Tradition gebe, die man für den 100. Geburtstag des Vereins verwenden könne. So kam der Wasservogel ins Spiel. Und auch die BA Vorsitzende Ingeborg Staudenmeyer war sofort Feuer und Flamme für das Thema.
Das Gründertrio im Jahr 2006
v.l. Michael Franke (FT Gern), Ingeborg Staudenmeyer (BA9) und Franz Schröther (Geschichtswerkstatt Neuhausen)
Bildquelle: wochenanzeiger.de
So war schließlich die Idee entstanden, den Brauch auferstehen zu lassen. Das neue Wasservogelfest sollte aber etwas anders ablaufen, dafür sorgen schon die veränderten Gegebenheiten. Zum einen sei Pfingsten zu früh im Jahr für ein Bad im Wasser, zum anderen war die Festwoche der FT Gern auch erst vom 14. bis 22. Juli 2007, merkt Franz Schröther an. Der Dorfteich existiert nicht mehr, und Bauernhöfe gibt es auch nicht mehr. Geplant war deshalb, am 22. Juli 2007, einem Sonntag, nachmittags einen Umzug mit den Neuhauser Vereinen und ihren Fahnen zu veranstalten. Ihnen voraus geht die Gruppe von Burschen mit dem berittenen Wasservogel in ihrer Mitte. Auch ein verwaltungstechnisches Hindernis wurde genommen. Es gelang seine königliche Hoheit Herzog Franz von Bayern dazu zu bewegen, das Verbot seines Vorfahren König Ludwig I. offiziell zurück zu nehmen. Was für eine Geschichte! An ausgesuchten Stellen wurde der Wasservogelspruch aufgesagt, der, wie der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt erklärt, immer mit bissigen Kommentaren zu aktuellen Begebenheiten gewürzt worden sei. Der Zug begann am Rotkreuzplatz und bewegte sich durch die Winthirstraße zum Schlosskanal. Dort soll der Wasservogel von der Gerner Brücke ins Wasser geworfen werden. Anschließend ging es durch die Nördliche Auffahrtsallee über den Dom-Pedro-Platz zur FT Gern, wo im Festzelt gefeiert wurde. Alle waren sich schnell einig, dass das Fest wiederholt werden müsse. Die Veranstalter, die Geschichtswerkstatt Neuhausen, der BA 09 und die FT Gern einigten sich auf einen zweijährigen Rhythmus. Der Wasservogel, der Sprecher und auch die Wasservogelgruppe sollten auch zukünftig von der FT Gern gestellt werden. Das moderne Wasservogelfest war geboren!
Mittlerweile hat das Fest einen festen Platz im Neuhauser Jahresplan. Seit 2019 werden aber alle Sprüche gesammelt auf dem Rotkreuzplatz gesprochen. Somit haben alle Beteiligten die Möglichkeit, alle Sprüche und Ansprachen zu verstehen.
2007 hatte der Festzug das Festzelt der FT Gern an der Hanebergstraße zum Ziel. Bis 2019 wurde aus logistischen Gründen, es wurden einfach zuviele Menschen, der Königliche Hirschgarten als Ziel angepeilt. Der Sprung des Wasservogels erfolgte jeweils in Richtung Schloss. 2021 verhinderte die CoVID19 Pandemie das Fest. 2023 hieß das Ziel des Festzugs erstmals Taxisgarten und der Wasservogel wurde in Richtung des Hubertusbrunnens gestossen.